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Eine ungewöhnliche Art, das leben in einem Gewässer zu überprüfen: Die Biologen Horst Kossmann (vorne) und Michael Haller setzen das Wasser unter Strom und bestimmen die Arten, die nach oben kommen.
 
Nicht nur Fische leben im Wasser: Michael Zwick (links) untersucht die Köcherfliegenlarven, die Wolfgang Sander unter einem Stein im Wasser entdeckt hat.
Von Bachforellen und Blauflügel-Prachtlibellen
 
Bruchweiler: Fauna und Flora entlang der Lauter erforscht – Gewässer der Güteklasse eins bis zwei – Exkursion untersucht Flora und Fauna
 
Zahlreiche Experten und interessierte Bürger trafen sich am Samstag, dem „Tag der Artenvielfalt“, den das Magazin GEO 1999 ins Leben gerufen hat, um die Fauna und Flora entlang der Wieslauter, einschließlich ihrer Seitengräben, zu erforschen. Landesfischereiverband Rheinland-Pfalz hatte zusammen mit der Verbandsgemeindeverwaltung Dahner Felsenland als lokale Veranstalter zu der Aktion eingeladen, die von dem Magazin Geo initiiert worden war.
 
Die meisten sahen zum ersten mal eine Elektrofischung. Die beiden Fischerei-Biologen des Landesfischereiverbandes, Horst Kossmann und Michael Haller, wollten so feststellen, welche Fische sich im „Grünen Graben“, wie die Einheimischen den Seitenarm der Wieslauter nennen, wieder angesiedelt haben.
 „Der Fisch wird bei der Elektrobefischung mit Hilfe von Impulsstrom leicht betäubt, ist aber bereits nach ein bis zwei Minuten wieder voll einsatzfähig“, erklärt Kossmann, der mit seinem Kollegen in den Graben steigt. Die Kinder finden das Outfit der beiden Männer, „Stiefel, die an den Hosen angenäht waren“ allerdings viel bemerkenswerter als das Fischen selbst. „Wir haben hier im Pfälzer Wald nährsalzarme Gewässer, da muss man den Strom manchmal ein bisschen höher drehen., da die Leitfähigkeit des salzarmen Wassers geringer ist“, so Kossmann. Die Elektrobefischung sei eine wissenschaftliche Methode zur Bestandserfassung. „Die Ergebnisse dienen den Fischern später zur Berechnung von gezielten Besatzmaßnahmen“, erklärt er, während er mit Argusaugen und seinem unter Strom stehenden Netz das Wasser absucht.
Der typische Wiesengraben diente früher der Bewässerung der sogenannten Buckelwiesen, entstanden durch den sogenannten „Wiesenrückenbau“ der sich schon früh im Pfälzerwald durchgesetzt hatte. Die Talauen wurden dabei in fünf bis zehn Meter schmale Parzellen aufgeteilt, die senkrecht zum Bach liefen. Dazwischen wurden Entwässerungsgräben ausgehoben, in die durch ein oft kompliziertes System von Staustufen im Bach Wasser geleitet werden konnte. Diese sogenannten Wiesenhanggräben lagen höher als der Bach. So wurden die Wiesen im Frühjahr entwässert, im Sommer dagegen bewässert. Das war notwendig, da die sandigen Böden wegen ihrer geringen Wasserhaushaltekapazität bei absinkendem Grundwasserstand schnell zum Austrocknen neigen.
Trotz dieser sehr arbeitsaufwändigen Wirtschaftsform wurden die Talauen bis nach dem Zweiten Weltkrieg genutzt. Heute sind die Gräben verlandet, zum Teil auch zugeschüttet. Auch der Grüne Graben war derart verlandet. Im vergangenen Jahr wurde aber daran gearbeitet und der  einstige Wasserstand wieder hergestellt. Nach der Maßnahme fanden andere Tiere, meist ehemalige Bewohner wie die Bachforelle, wieder ein Zuhause.
Die Biologen stellten fest, dass sich auch Grundling, Elritze und der früher für diese Wiesengräben typische  Stichling wieder angesiedelt haben. Vor dem Ausbaggern war der Graben mit seiner geringen Fließgeschwindigkeit ein ideales Laichgewässer für Amphibien.
 
Die Wieslauter ist Forellenregion
Fließgewässer sind in verschiedene Regionen eingeteilt. Das Dahner Felsenland liegt in der Mittelgebirgsbach-Zone, für die die Bachforelle und die Äsche typisch sind. Auch die Wieslauter gehört zur Forellenregion, die  durch klares, sauerstoffhaltiges Wasser gekennzeichnet ist. 
Jede Region hat ihre charakteristischen Leitfische, die ihr meist auch den Namen gegeben haben. Der Leitfisch der Forellenregion ist die Bachforelle, die sich als Standplatz strömungsberuhigte Zonen hinter Felsbrocken wählt. Als Beifische in der Forellenregionen treten Kleinfischarten, unter anderem die Elritze und das Bachneunauge auf. In vielen Gewässern der Forellenregion ist auch die aus Kanada stammende Regenbogenforelle anzutreffen, die eingesetzt wurde. Dagegen gehen die Verantwortlichen aber seit der Vorstellung des Entwicklungskonzeptes Dahner Felsenland gezielt vor. Die Bachforelle soll  als typischer Fisch wieder die  Fließgewässer des Wasgaus dominieren.
Die Bachforelle ist zudem ein Indikator für die Wasserqualität, denn im Gegensatz zu der wesentlich robusteren Regenbogenforelle kann sie nur in  sommerkühlen und sauerstoffreichen Bächen und Flüssen überleben. Mit gewissen regionalen Schwankungen laicht sie in den späten Herbst- und Wintermonaten über Kiesflächen in Laichgruben ab. Sie bevorzugt reich strukturierte Gewässerabschnitte mit vielen Unterständen und Versteckmöglichkeiten. 
Die Nahrung der Bachforelle besteht überwiegend aus Wasserbewohnern wie Bachflohkrebsen, Wasserschnecken, Köcherfliegenlarven und Mühlkoppen.
Diese Nahrung ist ebenfalls ein Indikator für die Wassergüte. Wolfgang Sander, Leiter des Referates Naturschutz der Kreisverwaltung, füllt mit  Hilfe Kossmanns ein Gläschen voll Wieslauterwasser, angereichert mit  Köcherfliegenlarven, einem Bachflohkrebsen und Eintagsfliegenlarven. “Alles Zeichen dafür, dass es sich bei der Wieslauter um ein gering belastetes Gewässer der Güteklasse eins bis zwei handelt. Zur Güteklasse eins fehlen der Wieslauter die Strudelwürmer, die nur in völlig unbelastetem Wasser leben können“, erklärt Sander. „Kritisch wird es, wenn man den Schlammröhrenwurm, die Rattenschwanzlarve und die Zuckmückenlarve findet. Dann hat man ein übermäßig stark verschmutztes Gewässer der Güteklasse vier vor sich“, sagt er. „Wir sind dankbar, dass sich in den letzten 20 Jahren die Wasserqualität, die im Dahner Felsenland hervorragend ist, bundesweit stark verbessert hat“, erklärt Kossmann.
Kossmann fängt auch ein aalähnliches Neunauge, das er den staunenden Begleitern präsentierte.
„Neunaugen gehören nicht zu den Fischen, sondern sind Vertreter der Rundmäuler, die ein knorpeliges Skelett haben. Charakteristisch sind die sieben von außen sichtbare Kiemenöffnungen, die fälschlich als Augen angesehen werden und zusammen mit Nasenöffnung und Auge auf jeder Körperseite neun Augen vortäuschen“, erklärt er. Die verschiedenen Arten werden nach dem Ort ihres Aufenthalts benannt: Fluss-, Bach- und Meerneunauge.
 
Die räuberischen Aale müssen raus
Kossmann und Haller finden auch  zahlreiche Aale, die in nächster Zeit aus dem Gewässer entfernt werden sollen.
„In der Forellenregion darf der Aal nicht vorkommen denn er ist ein Laichräuber und frisst die kleinen Forellen alle weg“, erklärt Kossmann. Er berichtet von einem Gewässer, in dem die Sportfischer immer wieder und wieder erfolglos Forellen eingesetzt hatten, bis eine Untersuchung erkennen ließ, dass sich mehrere Aale in dem Gewässer breit gemacht hatten. „Die haben am Ende dann sogar leicht nach Forelle geschmeckt“, stellt Kosmann grinsend fest. „Die Aale, die sich hier rumtreiben wurden vor Jahren einmal ausgesetzt, die sind mit Sicherheit nicht auf natürlichem Wege hierher gewandert“, sagt Sander. Noch sei die Durchgängigkeit der Gewässer nicht wieder hergestellt, es sei unmöglich, dass diese aus dem Meer aufgestiegen seien, sagt er.
Der Exkursions-Experte in Sachen Blumen und Gräser ist Jürgen Walter. „Das sind alles stickstoffliebende Pflanzen die uns somit anzeigen, welche Nährstoffe hier im Boden zu finden sind“, erklärt er, während Kossmann die Große Brennnessel bestaunt und sie in die Kategorie „Wahre Bilderbuchexemplare“ einstuft.
Woher der Ausdruck „der zittert wie Espenlaub“ kommt, wird den Exkursions-Teilnehmern klar, als Klaus German vom Forstamt Wasgau auf eine ganz typische Baumart der pfälzischen Talauen hinweist. Die Blätter der Espe, auch Zitterpappel genannt, schwirrten an diesem fast windstillen Sommertag selbst beim kleinsten Luftzug hin und her.
Das Erlenbruch, einst typisch für die Talauen, erobert sich langsam sein Terrain zurück. Seit einigen Jahren pflanzen die Förster gezielt Schwarzerlen in den Talauen und Uferbereichen der Bäche, nicht zuletzt weil sie stauende Nässe vertragen. Auch Birke und Vogelkirche gehören zu den Bäumen, die die natürliche Vegetation in den Talauen bilden. Zu den wohl weit verbreitetsten Sträuchern am Rand der Talauen zählt die Schlehe, auch Schwarzdorn genannt. „Im Frühjahr bedeckt sich der niedrige noch blattlose Dornstrauch mit schneeweißen Blüten, im Herbst ist er von blauschwarzen Steinfrüchten überschüttet, aus denen so manches Kräuterhexchen aus dem Dahner Felsenland einen hervorragenden Schlehenlikör herzustellen weiß“, erklärt German lachend.
Tim Gutensohn von der Verbandsgemeinde Dahner Felsenland, der ein riesiges Schmetterlingsnetz im Gepäck hat, erweist sich als wahrer Libellenexperte und schaffte es tatsächlich ein besonders großes Exemplar einer Blauflügel-Prachtlibelle einzufangen. „Eine typische Fließgewässerlibelle“, erklärte er. „In diesem Jahr ist das Tal relativ artenarm, doch im nächsten Jahr ist hier wieder mehr los“, versichert er, bevor er das Tierchen wieder in die Freiheit entlässt.
Hier an der Wieslauter finden sich neben der als gefährdet eingestuften Blauflügel-Prachtlibelle auch die ebenfalls gefährdete „Gebänderte Prachtlibelle“, ein bis zwei Arten der Azurjungfer und die „Frühe Adonislibelle“, die durch ihren auffallend rot gefärbten Körper zu erkennen ist.
Libellenschutz sei in erster Linie Biotopschutz, so Gutensohn der darauf hinweist, dass nicht nur die Einleitung von Abwässern und die Einschwemmung von Dünger tödlich für den Libellenbestand eines Gewässers ist. Auch Uferausbau, Drainagen, Angeln, Baden und andere Freizeitnutzungen machen dem als „Sommerboten und Sonnenkünder“ bekannten Flugkünstler den Garaus.
 
Artenreiche Insektenwelt
In der Zwischenzeit hat Jürgen Walter eine Feldgrille eingefangen und sie zu ihrem Schutz in ein spezielles Glas gepackt. Nicht nur die Kinder beobachteten fasziniert den kleinen Kerl mit dem dicken, runden Kopf, der in dem trockenen, sandigen Boden ideale Lebensbedingungen findet. Mit seinem „Gesang“ versucht es das Weibchen aus der Reserve zu locken und für sich zu begeistern.
 Doch Walter findet noch mehr. Hier in den Talauen wächst das Labkraut, das sich durch seine kleinen, weißen Blüten auszeichnet. Sander findet indessen das seit dem Altertum als Wundermittel bekannte „Beinwell“, das feuchte Wiesen, Gräben und Bachufer als Standort bevorzugt.
Doch  die Talauen bieten noch mehr. Hier wächst auch der Löwenzahn, Kinder lieben ihn als „Pusteblume“ und schauen erwartungsvoll auf den leergeblasenen Blütenstempel. Hat er keine schwarzen Punkte auf dem Glatzkopf, war es ein ‚Engel-Löwenzahn’, der mit schwarzen Punkten gehört seit Alters her zu den ‚Bengel-Löwenzähnern’.
„Löwenzahn kann von Kopf bis Fuß verzehrt werden und die Wurzeln wurden in schlechten Zeiten im Backofen getrocknet, gemahlen und als Kaffee-Ersatz verwendet“, erzählt Sander.
 
Mehr Informationen über den Tag der Artenvielfalt gibt  es unter www.geo.de/artenvielfalt 
 
 
So sieht ein Elektrofischer 
(hier Horst Kossmann)
  außerhalb des Wassers aus.
veröffentlicht in:
Die RHEINPFALZ
vom 25. Juni 2005
© Lilo Hagen