Der Cent zum Sonderpreis
 
Man sagt, Banker sind Leute, die einem bei Sonnenschein einen Regenschirm leihen und ihn zurückhaben wollen, sobald es anfängt zu regnen.
Aber seit dem Euro ist sowieso alles anders und so sind die Banker heute die einzigen, die sich an ihr in voreuronischer Zeitrechnung gegebenes Versprechen noch halten. Die Raten für unseren Kredit haben sich tatsächlich halbiert, so wie unser Einkommen. Aber alles andere ist geblieben wie es war. Kostete das Kilo Bananen vor der Einführung des Euro 1,99 Mark kostet es jetzt 1,99 Euro, der Kopf Salat, einst 99 Pfennig, ist jetzt – wenn wir Glück haben – für 79 Cent zu haben und der Preis meiner Pizza hat sich auch verdoppelt – nein eigentlich ist der Preis der gleich geblieben, nur das Zeichen davor hat sich geändert. Statt DM steht da jetzt €.
Selbst für einen Schoppen meines heißgeliebten Weißherbstes soll ich jetzt mancherorts 10 Mark, Entschuldigung, fünf Euro – zahlen. Dass ein Päckchen Zigaretten schon in Kürze statt sechs Mark sechs Euro kosten wird, daran arbeiten unsere hochbezahlten Finanzexperten derzeit fleißig. Wenn sie die so gescheffelten Gewinne anstandshalber wenigstens zweckgebunden in die Gesundheit stecken würden, dann wäre es nicht nötig meine Krankenkassenbeiträge zu erhöhen und ich wüsste zumindest, wofür ich mir seit Jahren die Lungen ruiniere.
Ach, ich sehne mich zurück in meine gute alte D-Mark Zeit, als der Pfennig noch ein Pfennig war und es mir ein gutes Gefühl verschaffte, so einen kleinen Kerl mit mir herumzuschleppen. Er brachte Glück und  irgendwie brachte er irgendwann auch wieder silberne Markstücke in meine Börse.
Aber diese Zeiten sind vorbei! Nie werde ich die gleiche Liebe für den Cent empfinden können, niemals wird mir dieser Euro den gleichen Respekt einflößen wie die Mark, die für mich immer Symbol war für ein Wirtschaftswunder, das nach dem Krieg auf der Arbeit der Trümmerfrauen aufgebaut werden konnte. 
Ich habe nichts als Verachtung für dieses neue Geld, das ich doch als überzeugter Europäer so herbeigesehnt hatte.
Die Lösung all unserer Probleme präsentierte sich mir aber jetzt in Pirmasens. Da verkauft doch eine große Drogerie meinen persönlichen Glückscent in einem nett bedruckten Schächtelchen – Herstellungskosten maximal zwei Cent -  für einen ganzen Euro fünfzig. Das nennt man, glaube ich, „innovativ“.
Das Angebot findet auch noch reisenden Absatz – aber so sind sie, meine Zeitgenossen. Jetzt kaufen sie schon einen Cent für einen Euro fünfzig. Da braucht man sich über nichts mehr zu wundern, noch nicht mal mehr über den Ausgang der nächsten Wahl.
 
Ihr Wasgaustreicher
 
PS: Bestellungen für einen Cent vom Wasgaustreicher höchstpersönlich, zum Sonderpreis von einem Euro nehmen wir gerne entgegen.