Mein Heim ist im Herzen derer, die mich lieben
 
 
Einst dachte ich
es wäre gut allein zu bleiben.
Dem Risiko,
andere zu verletzen
somit aus dem Wege gehend.
 
 
Und dann sah ich einen Vogel
mit einer Feder im Schnabel,
heimkehrend in sein Nest.
Es weicher und bequemer
auszustatten für die Kleinen,
das war wohl sein Ziel.
Doch er verlor die Feder
und der Wind fing sie auf,
trug sie durch die Luft,
zu mir in meine Hand.
 
 
Mein Heim
ist in den Herzen derer,
die mich lieben.
 
                             Lilo Hagen
 
 
 
Wenn meine Stunde gekommen ist,
macht euch kein Bild von mir.
Einzig, was die Liebe mir diktierte,
soll an mich erinnern. 

                                                  Lilo Hagen

 
Mit Leidenschaft
voll Liebe
mit Sinn
und Verstand
große Worte
erhabene Lieder
kleine Geschichten
vollendete Bücher
 
leidend
 
Worte gesucht
auf die Goldwaage gelegt
zwischen die Zeilen geschrieben
fünfzig mal umformuliert
Wahrheit
in achtzig Zeilen:
alles gesagt.

                              Lilo Hagen

 

In den Augen eurer Kinder
könnt ihr lesen,
was Gott euch abverlangt.

                              
Lilo Hagen

 

 
 
Menschen sind Bilder
in meinem Herzen,
die ein guter Geist
mich malen hieß.
 
                                                      Lilo Hagen
 
Wer sein Bild
in den Augen des anderen nicht zu erkennen vermag,
kann auch das Wesen
des einzigen Gottes in uns
nicht ergründen. 

                                         Lilo Hagen

 

 
 
Liebe
 
Ankommen können
Sich fallen lassen dürfen
Reden wollen
Keine Angst haben müssen
 
Vertrauen haben
Lust verspüren
Leidenschaft erwecken
Glücklich sein
 
Lieben können dürfen wollen
Lachend Weinen
Weinend Lachen
Bitten dürfen
Danken können
 
Im Kleinen groß sein
Im Großen klein sein
 
Nicht Stark sein müssen
Schwach sein dürfen
 
Mit dem Herzen denken
 
 
Leben
 
 
 
Wenn ich tot bin
 

Wenn ich tot bin, begrabt mich auf dem Friedhof des Dorfes,
in dem ich zu Hause bin.
Begrabt mich in der roten Erde, unter den bizarren Felsen
und den alten Tannen, in denen der Wind seine Geschichten erzählt.
Doch stellt einen von diesen Felsbrocken auf mein Grab,
damit ich nicht Gefahr laufe,
zurückkehren zu wollen.
Pflanzt über mir Disteln. Die, mit den purpurroten oder kirschrosa Blüten,
damit sie den Stieglitzen als Nahrung dienen.
 
Wenn ich tot bin,
dann legt mir fünf Mark in den Mund,
damit ich im nächsten Leben genug Geld habe,
und lasst nicht zu, dass da welche mitmarschieren,
denen ich im Leben nichts bedeutet habe.
Die will ich auf meiner Beerdigung nicht sehen!
Legt mir noch eine Pirmasenser Zeitung mit in mein Grab,
statt Blumen.
Und dann geht und trinkt einen Schoppen Weißherbst
auf mein Wohl – denn den werde ich wirklich vermissen.
Und lacht und seit fröhlich, das Leben ist zu kurz zum Weinen.
Esst noch eine Portion Löwenzahnsalat
und Dampfnudeln
und Pistazien-Eis
und lasst es nicht zu, dass salbungsvolle Reden geschwungen werden.
Zum Schluss spielt mir noch einmal dieses Lied vom großen schwarzen Vogel.
                                                        Lilo Hagen