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- Zur Zeit als noch der Frankenkönig
- Pippin des Reiches Zepter führte
- und im Burgunderland regierte,
- mit starker Hand die Zügel haltend,
- da wuchs dort auf ein edler Jüngling,
- waffengeübt, von schönem Äußern
- und rechtgesinnt, mit Namen Gongolf;
- bei allen war er gern gesehen.
- Es hieß, er sei ein Königssprössling,
- gar edel waren seine Sitten.
- Er selbst stützte sich nur auf jenen,
- der aus dem Nichts das All erschaffen,
- und rühmte sich nicht seiner Abkunft,
- durch Taten wollt´ er lieber glänzen.
- Sobald die edle Mutter Gongolfs
- den Sohn dem Licht der Welt geschenkt,
- ließ sie ihn taufen und erlösen
- vom Fluche jener ersten Sünde.
- Die Priester salbten ihn und machten
- das heilige Kreuz auf seiner Stirne,
- im Glauben ward er auferzogen,
- ein zarter Knabe, noch in Windeln.
- So oft er trank, sog er den Glauben
- mit seiner Mutter Milch in sich,
- kindlich dem Christentum ergeben.
- Bald war sein Geistesreichtum
sichtbar,
- schon barg er in sich spätere Reife,
- denn früh oblag er frommen Studien.
- Als er gelangt ins Jünglingsalter,
- da ward er gnädig von dem König
- zum ständigen Dienst am Thron
befohlen,
- denn Pippin liebte Gongolf herzlich.
- Doch selbst als er durch seinen König
- mit Gunst bedacht, nach wenigen Jahren
- das Amt des Prokonsuls empfangen,
- schwoll er nicht an in leerem Stolze;
- er trachtete nach höherem Lohne
- als nach solch irdischen Ehrenstellen.
- Von dem ererbten Reichtum gab er
- mit vollen Händen allen Armen,
- als sei der Heiland unter ihnen
- und freue sich der milden Gaben.
- Wie oft folgte er Hiobs Spuren,
- lieh seine Hand dem Krüppel, seine Füße
- dem Lahmen und sein´ Aug dem Blinden
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- ein Vorbild wahrlich allem Volke!
- Nicht minder ernst nahm er die
Pflichten,
- die einem Edelmanne ziemen.
- Denn wenn die Nachrichten nicht trügen,
- auf die gestützt, ich hier berichte,
- dann pflegt´ der Held, den ich
besinge,
- häufig und gern des schönen
Waidwerks
- und gönnte sich beim frohen Jagen
- Erholung auf Befehl des Königs.
- Nie musste er dem Feinde weichen
- im Streit mit gegnerischen Scharen,
- stehts war im Kampf ihm Sieg
beschieden,
- sein Leben stand im Schutz des
Himmels.
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- Unmöglich ist´s mir zu besingen
- in des Gedichts gebundner Sprache,
- wie reich und gnädig einst bedachte
- der höchste König seinen Schützling.
- So will ich denn mit schwachen Kräften
- von vielem eines nur berichten:
- Einst führte Gongolf seine Mannen
- zum Kampfe gegen wilde Streiter.
- Nachdem er rasch den Sieg erforchten,
- er selbst verlor kein Tröpflein Blut
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- zwang er die Feinde Zins zu zahlen
- und zog nach Friedenschlusse heim.
- Da führte ihn des Weges Zufall
- vorbei an eines Armen Grundstück.
- Der Platz lag lieblich im Gebüsche
- verdeckt von Blüten und von Zweigen,
- ein spiegelklares Quellchen rauschte
- geschwätzig durch die grünen Aue.
- Entzückt ruhten da Gongolfs Augen
- auf jenem Platz und auf der Quelle,
- die´s ihm mit ihrem klaren Wasser
- so angetan, dass er verweilte.
- ER ließ durch einen seiner Diener
- den Herrn des Blütengartens holen;
- der tat auch gleich wie ihm befohlen
- und kam gar eilends angelaufen.
- Da näherte sich Gongolf freundlich
- dem Mann, der schüchtern vor ihn
trat,
- und fragte ihn, indem er liebreich
- ermunternd also zu ihm sprach:
- „Mein Freund, erfülle mir die
Bitte,
- verkauf mir diese klare Quelle,
- die spiegelhell und munter sprudelnd
- dein Wiesenland ringsum benetzt.
- Ich will dir´s gerne reichlich lohnen
- mit einer großen Summe Silbers.“
- Schon tönt´ der Klang verheißner Münzen
- dem Armen schmeichelnd in die Ohren,
- sein Anlitz strahlte, und es pochten
- die Schläge seines Herzens schneller.
- Demütig gab er jenem Antwort,
- heimliche Hoffnung dabei hegend:
- „Mein hoher Herr und Gnadenspender,
- das ganze Volk verehrt Euch innig,
- wie kann ich würdig Euch entgegnen?
- Liegt nicht mein Heil in Euren Händen?
- Was Ihr befehlt, das ist mein Wille,
- sei´s noch so schwierig auszuführen.
- Ich schulde billig Euch Gehorsam,
- Ihr seid der Herr, ich bin der Knecht.
- Gefällt´s Euch, will ich trotz des
Alters
- mich noch auf Wanderschaft begeben.“
- Nach diesen Worten schwieg er endlich
- und hemmte seiner Rede Fluss.
- Huldvoll hörte der Herr den Armen,
- der wortreich seine Güte lobte,
- und ließ ihm, eh´ sich´s der
versehen,
- in bar die hundert Taler zahlen.
- Darauf eilte er ohne Verweilen
- heimwärts ins liebe Vaterland.
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- Bald fingen einige, die verblendet
- des Höchsten Weisheit ganz
verkannten,
- gar heimlich an, den Herrn zu schmähen
- und seine Großmut zu verspotten.
- Doch Gongolf blieb dies nicht
verborgen,
- bald merkte er ihr Heimlichtun,
- Sein Scharfsinn spürte alles auf;
- er stellte sie daher zur Rede:
- „Was fällt Euch ein, ihr guten
Freunde,
- so ungerecht auf mich zu schelten.
- Ihr heißt mich töricht, weil ich
damals
- im fernen Land dem Armen zahlte!
- Ihr meint, nun sei ich beides los,
- das schöne Geld und auch die Quelle,
- weil mit verschwenderischer Hand
- ich lohnte die geringe Gabe.
- Nicht ziemt´s geheimnisvoll zu
deuteln,
- warum ich wohl den Preis bezahlte.
- Ich bitte euch, beruhigt euch wieder,
- spart künftig eure Sticheleien,
- löst sie in luftige Winde auf!
- Schickt lieber einen kundigen Mann
- sogleich zu jenem fernen Orte,
- der prüfe, ob die kleine Quelle
- noch silberhell mit muntrem Rauschen
- die Blumenwiesen rasch durcheilt.
- Dann wird sich zeigen, ob der Arme
- frohlockt, weil er mich überlistet.
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- Da macht sich einer auf die Reise
- und kommt nach überlangem Marsch
- endlich erschöpft zu jenem Grundstück,
- wo einst sein Herr die Quelle kaufte.
- Wenn gleich ihn Neugier plagt, betritt
er
- noch nicht sogleich das Wiesenland,
- er nähert sich vorerst den Hecken
- und Dornensträuchern, die umgeben
- die Wildnis rings von allen Seiten.
- Ob seinen Fuß auch Dornen ritzen,
- begierig späht er durchs Gebüsch,
- um nur das Wässerlein zu schauen.
- Fast sah er sich die Augen aus -
- umsonst! Verschwunden war die Quelle!
- Da meinte er, dass wohl die Hecke
- ihm nur den freien Blick versperre
- und lenkte hocherhobnen Hauptes
- den Schritt durchs Tor aufs
Wiesenland.
- Dort hoffte er, versteckt von
Blattwerk
- und Blütenpracht den Quell zu finden.
- Doch ausgedörrt war da die Erde,
- wo vorher reichlich Wasser strömte.
- In seiner Narrheit ganz von Sinnen,
- warf er sich hin und leckt am Boden -
- vielleicht, dass er ein Tröpflein
hasche!
- Nur Sand klebt´ an der durstigen
Zunge!
- Da endlich fasst den Reuigen Ehrfurcht
- vor seinem Herrn, dem er misstraut.
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- Als er zum Tross zurückgekehrt,
- da sah er über Gongolfs Kopfe
- ein zartes weißes Wölkchen schweben,
- es glich fast einem lichten Schleier.
- Geschwind erzählte er den Freunden
- von dem Verschwinden jener Quelle;
- er bat sie, fürder nicht zu zweifeln
- und gläubig ihrem Herren zu trauen.
- Derweil sie solcher Reden pflogen,
- gelangten sie zum Haus des Gongolfs;
- es stand in einem Blumengarten,
- umgeben von viel schattigen Bäumen.
- Dorthin lenkte der Herr die Schritte
- auf seinem Weg zur schönen Halle.
- Doch eh´ er noch das Haus betreten,
- stieß seinen Stock er in die Erde.
- Im Hause walteten die Diener
- schon eifrig ihrer vielen Ämter,
- die reichbesetzten Tische luden
- den Herrn zur späten Mahlzeit ein.
- Doch erst ließ er den Armen reichen,
- die täglich seine Gäste waren,
- verteilte selbst sogar die Speisen,
- eh er sich niederließ zu Tische.
- Viel Franken, seines Stammes Freunde,
- teilten mit ihm der Tafel Freuden.
- Bald lud der Abendstern zur Ruhe,
- die Nacht ließ ihre Schatten sinken,
- dem frohen Tafeln folgte Stille
- und schenkte Schlaf den
Weinberauschten.
- Einzig der fromme Herzog wachte
- Versenkt in emsige Gebete.
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- Am Morgen teilte sich das Dunkel,
- die Sonne zog herauf am Himmel,
- da brachten die geschäftigen Knappen
- dem hochgeliebten Herrn die Schuhe.
- Laut klopfend baten sie um Einlass
- an der zur Nacht verschlossenen Türe.
- Erst tat der Herr, als ob er schliefe,
- dann fuhr er wie aus schwerem Schlafe
- empor und hieß die Wächter lösen
- die Riegel und den Burschen öffnen.
- Darauf bat er, Wasser ihm zu reichen,
- doch leer war - Gott befahl´s - die
Schüssel!
- Da schickte im Vertraun auf Christus,
- der Herzog einen seiner Knappen,
- er solle aus dem Garten holen
- den Stock, der in der Erde steckte.
- Der sprang flink über Gras und Blumen
- und ließ die Augen ringsum schweifen,
- bis er gefunden jenen Stecken.
- Dann fasst´ er ihn mit beiden Händen
- und zog ihn aus. Man sah ganz deutlich
- die kleine Spur im weichen Boden.
- Rasch senkte sich das zarte Wölkchen,
- das vorher in den Lüften schwebte,
- und ihm entströmten reiche Mengen
- der Quelle, die es aufgesogen;
- schon sprudelte sie an der Stelle,
- wo kurz zuvor der Stock gestanden.
- Der Knappe stutzt´, dann rief er
schallend
- den Mannen zu, sie sollten kommen
- und sehen, welches schöne Wunder
- der Herr des Himmels hier vollbracht.
- Sie stürzten rasch herbei und wagten
- den eignen Augen kaum zu trauen,
- dann hoben sie empor die Hände
- und sangen Gott zum Lobe Lieder.
- Der Schaffner brachte eine Schüssel
- und füllte sie mit klarem Wasser,
- darauf eilt´ er frohen Sinns zum
Herzog,
- um ihm das Wunder zu berichten.
- Mit heitrer Miene trat er vor ihn
- und gab ihm von dem Zeichen Kunde:
- „Viel Güter sind Euch schon
beschieden,
- die Euch die Erde reichlich schenkte;
- nun hat beglückt Euch noch der Höchste
- mit jenem Zeichen aus der Wolke.
- Auch uns erfüllt´s mit größter
Freude,
- dass Euch der Himmel ausgezeichnet.“
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- Der Herzog, mild gestimmt, gab
Antwort,
- indem er demutsvoll bekannte:
- „Ihr schreibt mir fälschlich zu
dies Wunder,
- ich bin nicht wert der kleinsten
Gnade!
- Nein, einzig Christus lasst uns
danken,
- der stehts den Seinen nahe ist.“
- Drauf wusch er sich im frischen Wasser
- des Quells und betete zum Himmel:
- „Du ewige Güte, einzige Hoffnung,
- Du Spender allergrößter Gnaden,
- wer könnte wohl in Lobesliedern
- des Schöpfers Allmacht recht
besingen,
- der, mit dem Sohn regierend, fügte
- zu früheren Wundern neue Zeichen!
- Du, Christus hast Kraft Deiner Stärke
- dereinst dem harten Fels geboten,
- den Juden süßes Nass zu spenden,
- aus Bittrem machtest Du das Süße.
- in Deiner unbegrenzten Hoheit,
- mit der Du herrschst im ganzen
Weltall,
- wolltest Du auch für unsre Zeiten
- ein Zeichen Deiner Allmacht geben,
- damit die Menschen rings auf Erden
- Dich als den einzigen Gott erkennen.
- Erfülle, Jesus, meine Bitte
- und las dies Wasser Kranke heilen,
- damit ein jeder der geneßen,
- Dich künftig frohen Herzens
preise.“
- Der Bitte folgte gleich Gewährung:
- heilkräftig ward, dank Gott, das
Wasser.
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- Bald flog die Kunde von dem Wunder
- durch alle Länder auf der Erde,
- nicht nur zu jenen, die dort wohnten,
- wohin der Herr den Quell
versetzte;
- von allen Seiten aus der Fremde
- kamen die Kranken angepilgert,
- nicht um Arzneien einzunehmen,
- nur um vom kleinen Quell zu kosten.
- Stehts lagen dicht gedrängt am Ufer
- die Kranken, Siechen und auch Krüppel,
- wie einst die Lahmen und Besessnen
- des Judenvolks zu Zeiten Christi
- in jenen Hallen vor dem Schaftor
- rings um den See Bethseda lagen
- und stritten wer zuerst ins Wasser,
- wenn es sich rühre, steigen dürfe
- (denn wer vom Schicksal ausersehen,
- als erster tauchte, ward gesund);
- so warteten sie Stund´ um Stunde,
- sich einzig an die Hoffnung klammernd,
- ein Engel könne plötzlich kommen
- und mit dem Fuß das Wasser rühren.
- Genau so heilsbegierig sehnten
- sich diese, von dem Quell zu nippen.
- Genasen sie vom ersten Schluck schon,
- so sangen sie in Lobeshymnen
- dem Heiland Dank für solche Gnade,
- die er um Gongolfs Willen schenkte,
- sie rühmten himmelhoch den Frommen,
- dem sie so vieles Gutes dankten.
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- Wollt´ ich die Sitten und das Wirken
- des Herzogs wahrhaft würdig
schildern,
- so würde eher sich verwandeln
- der Tag in Nacht, als dies gelingen.
- So lass´ ich das geübtern
Dichtern,
- ich selbst erzähl´ bescheiden
weiter:
- Als nun die Franken froh und glücklich
- mit ihrem guten Herzog lebten,
- bestürmten ihn, den Jünger Christi
- und Stolz des Landes, alle Großen,
- er möge sich mit einem Mädchen,
- das ebenbürtig sei vermählen,
- damit nicht ohne Nachwuchs ende
- der Stamm aus edelstem Geschlechte.
- Ermahnt von väterlichen Freunden,
- ließ sich der Herzog Gongolf rühren
- und nahm sich eine edle Gattin
- von hoher Abkunft, schönem Äußern.
- Er hielt sie an, stehts nur zu führen
- den sittenreinsten Lebenswandel.
- Doch weh! die arge tückische Schlange
- verführte bald die Unerfahr´ne:
- ein unglückseliger Priester Gongolfs
- entbrannt´ in Leidenschaft zur
Herrin.
- Und ach! verblendet gab die Ärmste
- der sündigen Versuchung nach,
- sie hing ihr Herz an jenen Burschen
- und ward dem eignen Gatten untreu.
- Das ließ dem Erbfeind keine Ruhe;
- er, der sie in sein Netz gelockt,
- blies ungeduldig rasch die Kunde
- von seinem Sieg in aller Ohren.
- Bald war bekannt beim ganzen Volke
- die Schande von des Herzogs Gattin,
- bis endlich durch Geschwätz auch
Gongolf,
- der fromme Fürst, davon erfuhr.
- Als er erkannt, dass schon gedrungen
- in jeden Winkel Klatsch und Schande,
- erfassten Schmerz und tiefer Abscheu
- vor dem Verbrechen seine Seele.
- Er überlegte ganz verzweifelt
- wofür er sich entscheiden müsse:
- ob er den unerhörten Frevel
- mit strenger Strafe züchtigen oder
- gewohnte Milde walten lasse.
- Den Ärmsten peinigte der Zweifel.
- Endlich entschloss er sich zur Strafe,
- er wollte die Gerüchte bannen
- und war bedacht, sein Weib zu hindern,
- künftig noch lasterhaft zu leben.
- Nachdem er sich so durchgerungen,
- begab er sich aus seinem Hause
- zur Quelle, die ihm einst der Himmel
- gesandt durch jene Wunderwolke.
- Dort stand der Fromme eine Weile,
- da trat sein böses Weib hinzu.
- Mit ernster Miene drang er in sie,
- versöhnlich klangen seine Worte:
- „Es kam mir häufig schon zu Ohren,
- du habest Ehebruch getrieben,
- doch möchte ich, um dich zu schonen,
- die öffentliche Klage meiden.
- Ich übergebe dich nicht gerne
- dem Volksgerichte zum Verhör,
- wo weise Richter jeden Frevel
- und jede Strafe peinlich wägen.
- Ich bitte dich nur deine Rechte
- hier in den kalten Quell zu tauchen.
- Erleidet sie dort keinen Schaden,
- bedarf es keinen andern Urteils.“
- In ihrem Hochmut, ihrer Härte,
- die auch ihr bösere Geist bestärkte,
- tauchte sie tief die Hand ins Wasser -
- was sollte ihr dabei geschehen?
- Doch sengt´ die Welle ihre Finger!
- Jetzt erst begriff sie Gottes
Allmacht:
- das kühle Wasser brannte heftig,
- die Glut der Flutenflammen zehrte!
- Sie, die verhärtet gegen Güte,
- musste sich beugen Gottes Urteil.
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- O wunderbare Kraft des Heilands,
- Gerechtigkeit des ewigen Richters!
- Wie sollt es die Vermessne büßen,
- als sie sich Hand und Arm versengte.
- Das Brandmal war ein klarer Zeuge
- des Unrechts, das sie gern geleugnet.
- Da schrak sie schuldbewusst zusammen,
- Verzeihung durft´ sie nicht mehr
hoffen,
- der sichre Tod stand ihr vor Augen
- als Strafe für die schwere Sünde.
- Doch Gongolf, der so edle Richter,
- besänftigte bald Zorn und Kummer;
- er ließ den Geistlichen zur Strafe
- sogleich verbannen aus der Heimat,
- damit der Schurke im Exile
- endlich die schwere Schuld bereue.
- An seiner Gattin übt´ er Nachsicht,
- doch wehrt er ihr das Ehelager.
- Drauf stieg des Gongolfs Ruhm noch höher
- und breitete sich aus im Lande;
- das ließ den tückischen Feind der
Menschheit
- vor Missgunst Gift und Galle speien,
- er wandte alle bösen Schliche
- daran, um Gongolfs Ruf zu schaden,
- damit, ermuntert durch sein Vorbild,
- das Volk sich nicht dem Herrgott
beuge.
- Lang mühte er sich ganz vergebens,
- dem Frommen einen Tort zu tun,
- zu dem in immer größerer Liebe
- das Volk sich hingezogen fühlte.
- Endlich umgarnte er den Schurken,
- der fern der Heimat leben musste.
- Den dürstete es nach dem Blute
- des eignen Herrn und dessen Tod.
- Er schmiedete in finstrem Hasse
- mordlust´ge Pläne gegen Gongolf
- und schlich sich zu dem Teufelsweibe,
- enthüllte ihr sein arges Sinnen.
- Sie fügte sich dem bösen Anschlag,
- ja, drängte selbst auf rasches
Handeln
- und lieh die Hand dem Mordgesellen -
- sie, die allein durch Gongolfs Güte
- entgangen war gerechter Strafe
- und dem verdienten Todeslos.
- Die Undankbare half dem Buhlen,
- dem sie in Leidenschaft verfallen.
- Schon war die Nacht hereingebrochen,
- die zum Verrate ausersehen,
- da gab die Frau dem Dolchbewehrten
- ein Zeichen, dass die Zeit gekommen.
- Der stach dem Frommen in die Seite
- mit seines Eisens scharfer Spitze
- und floh im sündigen Liebesrausche
- mit dessen Gattin aus dem Lande.
- Noch ahnt´ er nicht, wie nah das Ende
- der Liebe und wie nah die Rache,
- da barsten schon die Eingeweide,
- mit denen lustvoll er gesündigt;
- er sank dahin, plötzlich getroffen,
- das Leben und die Buhlin lassend.
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- Als der so schwer verletzte Heilige,
- zum Trank des Todes jäh verurteilt,
- die letzten Atemzüge tat,
- da nahten auch schon Engelscharen
- und mahnten Christi treuen Zeugen,
- den schwachen ird´schen Leib zu
lassen
- und, sanft geführt von Engelsweisen,
- die Sternenpfade zu erklimmen.
- Nachdem er ausgehaucht die Seele,
- die mit dem Blut des Lamms geweiht,
- ward er entrückt in Sterngefilde
- zur Pforte und zum Thron des Himmels.
- Als Preis des Kampfs krönt ihn nun
Lorbeer,
- die Palme hält er in der Rechten,
- geschmückt mit schöner Stola, weilt
er
- als Märtyrer im Himmelssaale.
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- Mit großem Pomp wird drauf der
Leichnam
- erst aufgebahrt und dann bestattet;
- das ganze Volk beklagt den Herzog,
- vor allem die verwaisten Diener.
- Das Grabmal ward in Toul errichtet,
- an einem altbekannten Orte.
- Dort betteten sie ihn zur Ruhe,
- mit Tränen seine Reste netzend.
- Bald suchten die geweihte Stätte
- Bittsteller auf, um dort zu beten.
- Auch Fürsten sah man an dem Grabe,
- Hilfe ersehnend hingestreckt.
- Ja, selbst der König warf sich
nieder,
- küsste des Grabmals Marmorplatten
- und bat mit Worten und mit Spenden,
- dass sich der Heiland gnädig zeige.
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- Wie soll ich nur die Menge schildern,
- die dorthin strömte, wie ihr Flehen!
- Der Klügste könnt es nicht
berichten,
- zu arm sind dafür alle Worte.
- Wahrlich der Heilige verschenkte
- in Fülle seine Gnadengaben.
- Ein jeder musste bald bekennen,
- dass seine Wünsche sich erfüllen:
- der Blinde durfte wieder sehen
- und froh das Licht des Tages grüßen,
- die tauben Ohren wieder hören,
- die Lahmen ihre Füße brauchen;
- und Sieche, krank an allen Gliedern,
- genasen von verschiednen Leiden.
- Würdig vermag ich nicht zu preisen,
- wie er das fromme Volk beglückte.
- Doch nicht allein die Stammesbrüder
- beschenkte er mit seiner Liebe,
- nein, auch die Frommen ferner Länder
- verspürten dankbar seine Hilfe.
- Der Ort der Gongolfs Glieder barg,
- rühmte sich wahrhaft großen Glücks.
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- Nachdem ich nun berichtet habe
- des heiligen Gongolfs Wundertaten,
- will ich ganz kurz auch seines Weibes,
- der argen Buhlerin, gedenken,
- und jenes Tones, den die Teuflin
- verdienterweis musst´ von sich geben.
- Die Kunde von dem Grabe schallte
- hinauf zum hohen Sternendome,
- ja, selbst den fernsten Erdenwinkel
- erfüllte sie mit größter Freude.
- Einst kam vom Grab ein frommer Beter
- und pries ganz glücklich das
Geschaute.
- Der Zufall will´s, er trifft die
Dirne;
- betroffen stutzt er, dann beginnt er,
- gerechterweise sie zu schmähen
- mit bittren Worten der Verachtung:
- „O du unselige Teufelsdirne,
- bereust du deine schwere Untat,
- die du verübt am Manne Gottes,
- verführt von deinem Sündenbuhlen?
- Ich rate dir aus reinem Mitleid,
- ergreif ´ das einzige Sühnemittel,
- geh´ heut´ noch zu dem heiligen
Grabe,
- lösch aus mit Tränen deine Makel,
- denn dort, wo Gongolfs Reste ruhen,
- geschehen täglich große Wunder.
- Bereust du wahrhaft, darfst du hoffen,
- dass unverdient dir Gnade winkt.“
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- Doch sie, dem Laster ganz verfallen,
- wandte sich ab vom rechten Wege;
- sie zog es vor, der Lust zu frönen,
- statt ewiger Freuden zu gedenken.
- Das Unweib, das den Mord veranlasst,
- verschmähte die Versöhnungsworte;
- dem Irdischen allein ergeben,
- hoffte sie nicht auf künftige Güter.
- Kaum hatte sie gehört die Worte,
- da flammten ihre Augen zornig,
- sie fuhr voll Unmut los auf jenen
- und höhnte ihn mit frechem Munde:
- „Was schwätzt du da von großen
Wundern,
- zu Ehren des verstorbenen Gongolfs?
- Nur Lug und Trug! Auf seinem Grabe
- geschehen keine Wunderzeichen,
- so wenig wie ich produziere
- mit meinem Hinterteile Wunder!“
- Doch kaum war ihr das Wort entflohen,
- entfuhr ihr schon ein Wunderzeichen,
- sie ließ ertönen einen Laut,
- den sich mein Mund zu nennen sträubt.
- Und jedes Mal, sobald sie sprach
- ein Wort, erklang der ekle Ton.
- So ward das Weib, das Scham nicht
kannte,
- künftig von allen ausgelacht
- und musste bis zu ihrem Tode
- dies Merkmal ihrer Schande tragen.
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