Das Marthrium des Heiligen Gongolf.
 
von Hrotsvit von Gandersheim  
(Roswitha von Gandersheim)
 
Zur Zeit als noch der Frankenkönig
Pippin des Reiches Zepter führte
und im Burgunderland regierte,
mit starker Hand die Zügel haltend,
da wuchs dort auf ein edler Jüngling,
waffengeübt, von schönem Äußern
und rechtgesinnt, mit Namen Gongolf;
bei allen war er gern gesehen.
Es hieß, er sei ein Königssprössling,
gar edel waren seine Sitten.
Er selbst stützte sich nur auf jenen,
der aus dem Nichts das All erschaffen,
und rühmte sich nicht seiner Abkunft,
durch Taten wollt´ er lieber glänzen.
Sobald die edle Mutter Gongolfs
den Sohn dem Licht der Welt geschenkt,
ließ sie ihn taufen und erlösen
vom Fluche jener ersten Sünde.
Die Priester salbten ihn und machten
das heilige Kreuz auf seiner Stirne,
im Glauben ward er auferzogen,
ein zarter Knabe, noch in Windeln.
So oft er trank, sog er den Glauben
mit seiner Mutter Milch in sich,
kindlich dem Christentum ergeben.
Bald war sein Geistesreichtum sichtbar,
schon barg er in sich spätere Reife,
denn früh oblag er frommen Studien.
Als er gelangt ins Jünglingsalter,
da ward er gnädig von dem König
zum ständigen Dienst am Thron befohlen,
denn Pippin liebte Gongolf herzlich.
Doch selbst als er durch seinen König
mit Gunst bedacht, nach wenigen Jahren
das Amt des Prokonsuls empfangen,
schwoll er nicht an in leerem Stolze;
er trachtete nach höherem Lohne
als nach solch irdischen Ehrenstellen.
Von dem ererbten Reichtum gab er
mit vollen Händen allen Armen,
als sei der Heiland unter ihnen
und freue sich der milden Gaben.
Wie oft folgte er Hiobs Spuren,
lieh seine Hand dem Krüppel, seine Füße
dem Lahmen und sein´ Aug dem Blinden -
ein Vorbild wahrlich allem Volke!
Nicht minder ernst nahm er die Pflichten,
die einem Edelmanne ziemen.
Denn wenn die Nachrichten nicht trügen,
auf die gestützt, ich hier berichte,
dann pflegt´ der Held, den ich besinge,
häufig und gern des schönen Waidwerks
und gönnte sich beim frohen Jagen
Erholung auf Befehl des Königs.
Nie musste er dem Feinde weichen
im Streit mit gegnerischen Scharen,
stehts war im Kampf ihm Sieg beschieden,
sein Leben stand im Schutz des Himmels.    
 
Unmöglich ist´s mir zu besingen
in des Gedichts gebundner Sprache,
wie reich und gnädig einst bedachte
der höchste König seinen Schützling.
So will ich denn mit schwachen Kräften
von vielem eines nur berichten:
Einst führte Gongolf seine Mannen
zum Kampfe gegen wilde Streiter.
Nachdem er rasch den Sieg erforchten,
er selbst verlor kein Tröpflein Blut -
zwang er die Feinde Zins zu zahlen
und zog nach Friedenschlusse heim.
Da führte ihn des Weges Zufall
vorbei an eines Armen Grundstück.
Der Platz lag lieblich im Gebüsche
verdeckt von Blüten und von Zweigen,
ein spiegelklares Quellchen rauschte
geschwätzig durch die grünen Aue.
Entzückt ruhten da Gongolfs Augen
auf jenem Platz und auf der Quelle,
die´s ihm mit ihrem klaren Wasser
so angetan, dass er verweilte.
ER ließ durch einen seiner Diener
den Herrn des Blütengartens holen;
der tat auch gleich wie ihm befohlen
und kam gar eilends angelaufen.
Da näherte sich Gongolf freundlich
dem Mann, der schüchtern vor ihn trat,
und fragte ihn, indem er liebreich
ermunternd also zu ihm sprach:
„Mein Freund, erfülle mir die Bitte,
verkauf mir diese klare Quelle,
die spiegelhell und munter sprudelnd
dein Wiesenland ringsum benetzt.
Ich will dir´s gerne reichlich lohnen
mit einer großen Summe Silbers.“
Schon tönt´ der Klang verheißner Münzen
dem Armen schmeichelnd in die Ohren,
sein Anlitz strahlte, und es pochten
die Schläge seines Herzens schneller.
Demütig gab er jenem Antwort,
heimliche Hoffnung dabei hegend:
„Mein hoher Herr und Gnadenspender,
das ganze Volk verehrt Euch innig,
wie kann ich würdig Euch entgegnen?
Liegt nicht mein Heil in Euren Händen?
Was Ihr befehlt, das ist mein Wille,
sei´s noch so schwierig auszuführen.
Ich schulde billig Euch Gehorsam,
Ihr seid der Herr, ich bin der Knecht.
Gefällt´s Euch, will ich trotz des Alters
mich noch auf Wanderschaft begeben.“
Nach diesen Worten schwieg er endlich
und hemmte seiner Rede Fluss.
Huldvoll hörte der Herr den Armen,
der wortreich seine Güte lobte,
und ließ ihm, eh´ sich´s der versehen,
in bar die hundert Taler zahlen.
Darauf eilte er ohne Verweilen
heimwärts ins liebe Vaterland.
 
Bald fingen einige, die verblendet
des Höchsten Weisheit ganz verkannten,
gar heimlich an, den Herrn zu schmähen
und seine Großmut zu verspotten.
Doch Gongolf blieb dies nicht verborgen,
bald merkte er ihr Heimlichtun,
Sein Scharfsinn spürte alles auf;
er stellte sie daher zur Rede:
„Was fällt Euch ein, ihr guten Freunde,
so ungerecht auf mich zu schelten.
Ihr heißt mich töricht, weil ich damals
im fernen Land dem Armen zahlte!
Ihr meint, nun sei ich beides los,
das schöne Geld und auch die Quelle,
weil mit verschwenderischer Hand
ich lohnte die geringe Gabe.
Nicht ziemt´s geheimnisvoll zu deuteln,
warum ich wohl den Preis bezahlte.
Ich bitte euch, beruhigt euch wieder,
spart künftig eure Sticheleien,
löst sie in luftige Winde auf!
Schickt lieber einen kundigen Mann
sogleich zu jenem fernen Orte,
der prüfe, ob die kleine Quelle
noch silberhell mit muntrem Rauschen
die Blumenwiesen rasch durcheilt.
Dann wird sich zeigen, ob der Arme
frohlockt, weil er mich überlistet.
 
Da macht sich einer auf die Reise
und kommt nach überlangem Marsch
endlich erschöpft zu jenem Grundstück,
wo einst sein Herr die Quelle kaufte.
Wenn gleich ihn Neugier plagt, betritt er
noch nicht sogleich das Wiesenland, 
er nähert sich vorerst den Hecken
und Dornensträuchern, die umgeben
die Wildnis rings von allen Seiten.
Ob seinen Fuß auch Dornen ritzen,
begierig späht er durchs Gebüsch,
um nur das Wässerlein zu schauen.
Fast sah er sich die Augen aus -
umsonst! Verschwunden war die Quelle!
Da meinte er, dass wohl die Hecke
ihm nur den freien Blick versperre
und lenkte hocherhobnen Hauptes
den Schritt durchs Tor aufs Wiesenland.
Dort hoffte er, versteckt von Blattwerk
und Blütenpracht den Quell zu finden.
Doch ausgedörrt war da die Erde,
wo vorher reichlich Wasser strömte.
In seiner Narrheit ganz von Sinnen,
warf er sich hin und leckt am Boden -
vielleicht, dass er ein Tröpflein hasche!
Nur Sand klebt´ an der durstigen Zunge!
Da endlich fasst den Reuigen Ehrfurcht
vor seinem Herrn, dem er misstraut.
 
Als er zum Tross zurückgekehrt,
da sah er über Gongolfs Kopfe
ein zartes weißes Wölkchen schweben,
es glich fast einem lichten Schleier.
Geschwind erzählte er den Freunden
von dem Verschwinden jener Quelle;
er bat sie, fürder nicht zu zweifeln
und gläubig ihrem Herren zu trauen.
Derweil sie solcher Reden pflogen,
gelangten sie zum Haus des Gongolfs;
es stand in einem Blumengarten,
umgeben von viel schattigen Bäumen.
Dorthin lenkte der Herr die Schritte
auf seinem Weg zur schönen Halle.
Doch eh´ er noch das Haus betreten,
stieß seinen Stock er in die Erde.
Im Hause walteten die Diener
schon eifrig ihrer vielen Ämter,
die reichbesetzten Tische luden
den Herrn zur späten Mahlzeit ein.
Doch erst ließ er den Armen reichen,
die täglich seine Gäste waren,
verteilte selbst sogar die Speisen,
eh er sich niederließ zu Tische.
Viel Franken, seines Stammes Freunde,
teilten mit ihm der Tafel Freuden.
Bald lud der Abendstern zur Ruhe,
die Nacht ließ ihre Schatten sinken,
dem frohen Tafeln folgte Stille
und schenkte Schlaf den Weinberauschten.
Einzig der fromme Herzog wachte
Versenkt in emsige Gebete.       
 
Am Morgen teilte sich das Dunkel,
die Sonne zog herauf am Himmel,
da brachten die geschäftigen Knappen 
dem hochgeliebten Herrn die Schuhe.
Laut klopfend baten sie um Einlass
an der zur Nacht verschlossenen Türe.
Erst tat der Herr, als ob er schliefe,
dann fuhr er wie aus schwerem Schlafe
empor und hieß die Wächter lösen
die Riegel und den Burschen öffnen.
Darauf bat er, Wasser ihm zu reichen,
doch leer war - Gott befahl´s - die Schüssel!
Da schickte im Vertraun auf Christus,
der Herzog einen seiner Knappen,
er solle aus dem Garten holen
den Stock, der in der Erde steckte.
Der sprang flink über Gras und Blumen
und ließ die Augen ringsum schweifen,
bis er gefunden jenen Stecken.
Dann fasst´ er ihn mit beiden Händen
und zog ihn aus. Man sah ganz deutlich
die kleine Spur im weichen Boden.
Rasch senkte sich das zarte Wölkchen,
das vorher in den Lüften schwebte,
und ihm entströmten reiche Mengen
der Quelle, die es aufgesogen;
schon sprudelte sie an der Stelle,
wo kurz zuvor der Stock gestanden.
Der Knappe stutzt´, dann rief er schallend
den Mannen zu, sie sollten kommen
und sehen, welches schöne Wunder
der Herr des Himmels hier vollbracht.
Sie stürzten rasch herbei und wagten
den eignen Augen kaum zu trauen,
dann hoben sie empor die Hände
und sangen Gott zum Lobe Lieder.
Der Schaffner brachte eine Schüssel
und füllte sie mit klarem Wasser,
darauf eilt´ er frohen Sinns zum Herzog,
um ihm das Wunder zu berichten.
Mit heitrer Miene trat er vor ihn
und gab ihm von dem Zeichen Kunde:
„Viel Güter sind Euch schon beschieden,
die Euch die Erde reichlich schenkte;
nun hat beglückt Euch noch der Höchste
mit jenem Zeichen aus der Wolke.
Auch uns erfüllt´s mit größter Freude,
dass Euch der Himmel ausgezeichnet.“
 
Der Herzog, mild gestimmt, gab Antwort,
indem er demutsvoll bekannte:
„Ihr schreibt mir fälschlich zu dies Wunder,                    
ich bin nicht wert der kleinsten Gnade!
Nein, einzig Christus lasst uns danken,
der stehts den Seinen nahe ist.“
Drauf wusch er sich im frischen Wasser
des Quells und betete zum Himmel:
„Du ewige Güte, einzige Hoffnung,
Du Spender allergrößter Gnaden,
wer könnte wohl in Lobesliedern
des Schöpfers Allmacht recht besingen,
der, mit dem Sohn regierend, fügte
zu früheren Wundern neue Zeichen!
Du, Christus hast Kraft Deiner Stärke
dereinst dem harten Fels geboten,
den Juden süßes Nass zu spenden,
aus Bittrem machtest Du das Süße.
in Deiner unbegrenzten Hoheit,
mit der Du herrschst im ganzen Weltall,
wolltest Du auch für unsre Zeiten
ein Zeichen Deiner Allmacht geben,
damit die Menschen rings auf Erden
Dich als den einzigen Gott erkennen.
Erfülle, Jesus, meine Bitte
und las dies Wasser Kranke heilen,
damit ein jeder der geneßen,
Dich künftig frohen Herzens preise.“
Der Bitte folgte gleich Gewährung:
heilkräftig ward, dank Gott, das Wasser.
 
Bald flog die Kunde von dem Wunder
durch alle Länder auf der Erde,
nicht nur zu jenen, die dort wohnten,
wohin der  Herr den Quell versetzte;
von allen Seiten aus der Fremde
kamen die Kranken angepilgert,
nicht um Arzneien einzunehmen,
nur um vom kleinen Quell zu kosten.
Stehts lagen dicht gedrängt am Ufer
die Kranken, Siechen und auch Krüppel,
wie einst die Lahmen und Besessnen
des Judenvolks zu Zeiten Christi 
in jenen Hallen vor dem Schaftor
rings um den See Bethseda lagen
und stritten wer zuerst ins Wasser,
wenn es sich rühre, steigen dürfe
(denn wer vom Schicksal ausersehen,
als erster tauchte, ward gesund);
so warteten sie Stund´ um Stunde,
sich einzig an die Hoffnung klammernd,
ein Engel könne plötzlich kommen
und mit dem Fuß das Wasser rühren.
Genau so heilsbegierig sehnten
sich diese, von dem Quell zu nippen.              
Genasen sie vom ersten Schluck schon,
so sangen sie in Lobeshymnen
dem Heiland Dank für solche Gnade,
die er um Gongolfs Willen schenkte,
sie rühmten himmelhoch den Frommen,
dem sie so vieles Gutes dankten.
 
Wollt´ ich die Sitten und das Wirken
des Herzogs wahrhaft würdig schildern,
so würde eher sich verwandeln
der Tag in Nacht, als dies gelingen.
So lass´  ich das geübtern Dichtern,
ich selbst erzähl´ bescheiden weiter:
Als nun die Franken froh und glücklich
mit ihrem guten Herzog lebten,
bestürmten ihn, den Jünger Christi
und Stolz des Landes, alle Großen,
er möge sich mit einem Mädchen,
das ebenbürtig sei vermählen,
damit nicht ohne Nachwuchs ende
der Stamm aus edelstem Geschlechte.
Ermahnt von väterlichen Freunden,
ließ sich der Herzog Gongolf rühren
und nahm sich eine edle Gattin
von hoher Abkunft, schönem Äußern.
Er hielt sie an, stehts nur zu führen
den sittenreinsten Lebenswandel.
Doch weh! die arge tückische Schlange
verführte bald die Unerfahr´ne:
ein unglückseliger Priester Gongolfs
entbrannt´ in Leidenschaft zur Herrin.
Und ach! verblendet gab die Ärmste
der sündigen Versuchung nach,
sie hing ihr Herz an jenen Burschen
und ward dem eignen Gatten untreu.
Das ließ dem Erbfeind keine Ruhe;
er, der sie in sein Netz gelockt,
blies ungeduldig rasch die Kunde
von seinem Sieg in aller Ohren.
Bald war bekannt beim ganzen Volke
die Schande von des Herzogs Gattin,
bis endlich durch Geschwätz auch Gongolf,
der fromme Fürst, davon erfuhr.
Als er erkannt, dass schon gedrungen
in jeden Winkel Klatsch und Schande,
erfassten Schmerz und tiefer Abscheu
vor dem Verbrechen seine Seele.
Er überlegte ganz verzweifelt
wofür er sich entscheiden müsse:
ob er den unerhörten Frevel
mit strenger Strafe züchtigen oder
gewohnte Milde walten lasse.
Den Ärmsten peinigte der Zweifel.
Endlich entschloss er sich zur Strafe,
er wollte die Gerüchte bannen  
und war bedacht, sein Weib zu hindern,
künftig noch lasterhaft zu leben.
Nachdem er sich so durchgerungen,
begab er sich aus seinem Hause
zur Quelle, die ihm einst der Himmel
gesandt durch jene Wunderwolke.
Dort stand der Fromme eine Weile,
da trat sein böses Weib hinzu.
Mit ernster Miene drang er in sie,
versöhnlich klangen seine Worte:
„Es kam mir häufig schon zu Ohren,
du habest Ehebruch getrieben,
doch möchte ich, um dich zu schonen,
die öffentliche Klage meiden.
Ich übergebe dich nicht gerne
dem Volksgerichte zum Verhör,
wo weise Richter jeden Frevel
und jede Strafe peinlich wägen.
Ich bitte dich nur deine Rechte
hier in den kalten Quell zu tauchen.
Erleidet sie dort keinen Schaden,
bedarf es keinen andern Urteils.“
In ihrem Hochmut, ihrer Härte,
die auch ihr bösere Geist bestärkte,
tauchte sie tief die Hand ins Wasser -     
was sollte ihr dabei geschehen?
Doch sengt´ die Welle ihre Finger!
Jetzt erst begriff sie Gottes Allmacht:
das kühle Wasser brannte heftig,
die Glut der Flutenflammen zehrte!
Sie, die verhärtet gegen Güte,
musste sich beugen Gottes Urteil.
 
 
O wunderbare Kraft des Heilands,
Gerechtigkeit des ewigen Richters!
Wie sollt es die Vermessne büßen,
als sie sich Hand und Arm versengte.
Das Brandmal war ein klarer Zeuge
des Unrechts, das sie gern geleugnet.
Da schrak sie schuldbewusst zusammen,
Verzeihung durft´ sie nicht mehr hoffen,
der sichre Tod stand ihr vor Augen
als Strafe für die schwere Sünde.
Doch Gongolf, der so edle Richter,
besänftigte bald Zorn und Kummer;
er ließ den Geistlichen zur Strafe
sogleich verbannen aus der Heimat,
damit der Schurke im Exile
endlich die schwere Schuld bereue.
An seiner Gattin übt´ er Nachsicht,
doch wehrt er ihr das Ehelager.
Drauf stieg des Gongolfs Ruhm noch höher
und breitete sich aus im Lande;
das ließ den tückischen Feind der Menschheit
vor Missgunst Gift und Galle speien,
er wandte alle bösen Schliche
daran, um Gongolfs Ruf zu schaden,
damit, ermuntert durch sein Vorbild,
das Volk sich nicht dem Herrgott beuge.
Lang mühte er sich ganz vergebens,
dem Frommen einen Tort zu tun,
zu dem in immer größerer Liebe
das Volk sich hingezogen fühlte.
Endlich umgarnte er den Schurken,
der fern der Heimat leben musste.
Den dürstete es nach dem Blute
des eignen Herrn und dessen Tod.
Er schmiedete in finstrem Hasse
mordlust´ge Pläne gegen Gongolf
und schlich sich zu dem Teufelsweibe,
enthüllte ihr sein arges Sinnen.
Sie fügte sich dem bösen Anschlag,
ja, drängte selbst auf rasches Handeln
und lieh die Hand dem Mordgesellen -
sie, die allein durch Gongolfs Güte
entgangen war gerechter Strafe
und dem verdienten Todeslos.
Die Undankbare half dem Buhlen,
dem sie in Leidenschaft verfallen.
Schon war die Nacht hereingebrochen,
die zum Verrate ausersehen,
da gab die Frau dem Dolchbewehrten
ein Zeichen, dass die Zeit gekommen.
Der stach dem Frommen in die Seite
mit seines Eisens scharfer Spitze
und floh im sündigen Liebesrausche
mit dessen Gattin aus dem Lande.
Noch ahnt´ er nicht, wie nah das Ende
der Liebe und wie nah die Rache,
da barsten schon die Eingeweide,
mit denen lustvoll er gesündigt;
er sank dahin, plötzlich getroffen,
das Leben und die Buhlin lassend.
 
Als der so schwer verletzte Heilige,
zum Trank des Todes jäh verurteilt,
die letzten Atemzüge tat,
da nahten auch schon Engelscharen
und mahnten Christi treuen Zeugen,
den schwachen ird´schen Leib zu lassen
und, sanft geführt von Engelsweisen,
die Sternenpfade zu erklimmen.
Nachdem er ausgehaucht die Seele,
die mit dem Blut des Lamms geweiht,
ward er entrückt in Sterngefilde
zur Pforte und zum Thron des Himmels.
Als Preis des Kampfs krönt ihn nun Lorbeer,
die Palme hält er in der Rechten,
geschmückt mit schöner Stola, weilt er
als Märtyrer im Himmelssaale.
 
Mit großem Pomp wird drauf der Leichnam
erst aufgebahrt und dann bestattet;
das ganze Volk beklagt den Herzog,
vor allem die verwaisten Diener.
Das Grabmal ward in Toul errichtet,
an einem altbekannten Orte.
Dort betteten sie ihn zur Ruhe,
mit Tränen seine Reste netzend.
Bald suchten die geweihte Stätte
Bittsteller auf, um dort zu beten.
Auch Fürsten sah man an dem Grabe,
Hilfe ersehnend hingestreckt.
Ja, selbst der König warf sich nieder,
küsste des Grabmals Marmorplatten
und bat mit Worten und mit Spenden,
dass sich der Heiland gnädig zeige.
 
Wie soll ich nur die Menge schildern,
die dorthin strömte, wie ihr Flehen!
Der Klügste könnt es nicht berichten,
zu arm sind dafür alle Worte.
Wahrlich der Heilige verschenkte
in Fülle seine Gnadengaben.
Ein jeder musste bald bekennen,
dass seine Wünsche sich erfüllen:
der Blinde durfte wieder sehen
und froh das Licht des Tages grüßen,
die tauben Ohren wieder hören,
die Lahmen ihre Füße brauchen;
und Sieche, krank an allen Gliedern,
genasen von verschiednen Leiden.
Würdig vermag ich nicht zu preisen,
wie er das fromme Volk beglückte.
Doch nicht allein die Stammesbrüder
beschenkte er mit seiner Liebe,
nein, auch die Frommen ferner Länder
verspürten dankbar seine Hilfe.
Der Ort der Gongolfs Glieder barg,
rühmte sich wahrhaft großen Glücks.
 
Nachdem ich nun berichtet habe
des heiligen Gongolfs Wundertaten,
will ich ganz kurz auch seines Weibes,
der argen Buhlerin, gedenken,
und jenes Tones, den die Teuflin   
verdienterweis musst´ von sich geben.
Die Kunde von dem Grabe schallte
hinauf zum hohen Sternendome,
ja, selbst den fernsten Erdenwinkel
erfüllte sie mit größter Freude.
Einst kam vom Grab ein frommer Beter
und pries ganz glücklich das Geschaute.
Der Zufall will´s, er trifft die Dirne;
betroffen stutzt er, dann beginnt er,
gerechterweise sie zu schmähen
mit bittren Worten der Verachtung:
„O du unselige Teufelsdirne,
bereust du deine schwere Untat,
die du verübt am Manne Gottes,
verführt von deinem Sündenbuhlen?
Ich rate dir aus reinem Mitleid,
ergreif ´ das einzige  Sühnemittel,
geh´ heut´ noch zu dem heiligen Grabe,
lösch aus mit Tränen deine Makel,
denn dort, wo Gongolfs Reste ruhen,
geschehen täglich große Wunder.
Bereust du wahrhaft, darfst du hoffen,
dass unverdient dir Gnade winkt.“
 
Doch sie, dem Laster ganz verfallen,
wandte sich ab vom rechten Wege;
sie zog es vor, der Lust zu frönen,
statt ewiger Freuden zu gedenken.
Das Unweib, das den Mord veranlasst,
verschmähte die Versöhnungsworte;
dem Irdischen allein ergeben,
hoffte sie nicht auf künftige Güter.
Kaum hatte sie gehört die Worte,
da flammten ihre Augen zornig,
sie fuhr voll Unmut los auf jenen
und höhnte ihn mit frechem Munde:
„Was schwätzt du da von großen Wundern,
zu Ehren des verstorbenen Gongolfs?
Nur Lug und Trug! Auf seinem Grabe
geschehen keine Wunderzeichen,
so wenig wie ich produziere
mit meinem Hinterteile Wunder!“
Doch kaum war ihr das Wort entflohen,
entfuhr ihr schon ein Wunderzeichen,
sie ließ ertönen einen Laut,
den sich mein Mund zu nennen sträubt.
Und jedes Mal, sobald sie sprach
ein Wort, erklang der ekle Ton.
So ward das Weib, das Scham nicht kannte,
künftig von allen ausgelacht
und musste bis zu ihrem Tode
dies Merkmal ihrer Schande tragen.