Frosch in der Brühe
 
Wenn man einen Frosch in einen Topf mit Wasser steckt und diesen langsam erhitzt, dann hat der Frosch die Möglichkeit, sich langsam an das wärmer werdende Wasser zu gewöhnen. Wenn er merkt, dass die Temperaturen eine Größenordnung erreicht haben, die unerträglich scheint, wird er einen Weg finden, aus dem Topf herauszukommen, ohne Schaden zu erleiden.
Aber werfen Sie mal einen Frosch in dieses unerträglich scheinende heiße Wasser – er wird sofort verenden. Weil er keine Zeit hat, sich auf die neue Situation einzustellen, keine Zeit, sich einen Ausweg zu überlegen. Die Angst wird ihm die Kehle zuschnüren und sein Herzchen wird stehen bleiben.
Manchmal denke ich, uns geht es im Moment wie diesem Frosch. Man hat uns ins kochende Wasser geschmissen, das Hirn hat bereits ausgesetzt zu arbeiten, wir hecheln verzweifelt nach Luft, weil das Herz droht, stehen zu bleiben.
Wir nehmen alles gelassen hin, die immer größer werdende Steuerlast, während sich unsere Abgeordneten gleichzeitig ihre Diäten erhöhen. Dabei dreht sich mir schon bei dem Wort der Magen um. „Diät“ hat das nicht irgendwo und irgendwie etwas mit Abnehmen und Verzicht zu tun. Aber ich bin ja damit beschäftigt, verzweifelt einen Ausweg zu suchen aus dem kochenden Wasser, das mich umgibt. Darum denke ich nicht weiter darüber nach.
Frieden wollen sie schaffen, doch es herrscht Krieg. So wie zu Ritters Zeiten, als diese edlen Herren, die nichts anderes waren als Hühnerdiebe und Vergewaltiger, die Bauern auspressten bis aufs Blut. Das System ist das gleiche geblieben – nur die Art und Weise ist ein bisschen kultivierter geworden. Man will mich glaubend machen, dass ich sie mir selbst ausgesucht habe, die Peiniger, die in Berlin Hof halten und sich einen Pups darum kümmern, wie es dem Volk eigentlich geht. Aber ich habe sie mir nicht ausgesucht, es sei denn, man bezeichnet die Wahl zwischen Pest und Cholera als Selbstbestimmung. Und wenn dann mal einer dieser gewählten Volksvertreter auf die Idee kommt, zu sagen, was alle denken, dann ist er – hast Du es nicht gesehen – blitzschnell von der Bildfläche verschwunden. Da regt sich kein Widerstand, weil alle damit beschäftigt sind, dem immer heißer werdenden Wasser zu entkommen. Dabei fangen wir an uns selbst zu zerfleischen, stellen die an den Pranger, die nicht mehr bereit sind in diesem heißen Wasser herumzuplätschern. Schließen sie aus, drücken ihnen den Stempel „unchristlich“, „undemokratisch“ und „unsozial“ auf die Stirn.
Ach, wie ich sie beneide, diese unchristlichen, undemokratischen und unsozialen Mitbürger. Schön, sie stehen da, für alle sichtbar, am Pranger. Aber sie sind zumindest der kochendheißen Brühe entkommen, aus der ich mich immer noch verzweifelt versuche zu befreien.
 
Ihr Wasgaustreicher