Wuseleien
 
Als das Biosphärenhaus in Fischbach erbaut wurde, zogen lange bevor die Arbeiten beendet die Wusels dort ein. Die Wusels sind kleine wuscheligen Kerle, kaum größer als ein Holzäpfelchen. Ihre Haare sind so lang, dass sie die kleinen Wusels wie ein Kleid einhüllen, in dem sie ihre Hände und Füße verbergen können. 
Die Wusels sind viel viel älter als das Menschengeschlecht.
 Als der liebe Gott das Paradies erschaffen und beschlossen hatte, es zu bevölkern, da probierte er vieles aus und erschuf große und kleine Geschöpfe, Wichtel und Zwerge, doch mit nichts, war er zufrieden. Es dauerte lange, bis der liebe Gott den Menschen formte und er endlich zufrieden schien mit dem was er da gebastelt hatte. Über die vielen Proben aber, die der liebe Gott bis dahin geschaffen hatte, ließ er seinen eisigen Atem streifen, damit sie keinen Unfug treiben konnten. Der liebe Gott hatte nämlich einen Plan und für die Menschen, die ihm so ähnlich sein sollten, schon einen schönen Garten angelegt mit vielen großen Bäumen, saftigen Wiesen und tiefen, ruhigen Wäldern.
Die Wusels aber, die waren so klein, dass sie vom eisigen Atem des lieben Gottes irgendwie nicht getroffen wurden. Das lag sicher daran, dass sie unter das Ohr eines riesigen Dinosauriers gerutscht waren. Gentechnisch gesehen sind die kleinen Kerlchen also eigentlich Proben, aber sie fühlen sich ganz und gar nicht als solche, denn so wie es bei den Menschen schwarze weiße, rote, braune und gelbe Haut gibt, so haben auch die Wusels verschiedenen Farben. Es gibt gelbe, blaue, rote und grüne.
Als die kleinen Kerlchen merkten, was los war, suchten sie blitzschnell das Weite und schlichen sich auf die Erde. Da war damals noch nicht viel, nur ein riesiger Urwald. Dort, wo die Wusels dann ganz versteckt im Unterholz ein neues Zuhause fanden liegt heute Fischbach.  
Mit den ersten Menschen, die sich hier ansiedelten begann für die Wusels ein richtiger Stress. Besonders die Menschenkinder begannen sie zu jagen und nahmen die farbenfrohen Wuselchen mit nach Hause und hielten sie dort als eine Art Haustiere. Damals  gab es noch keine Möglichkeit, die Stoffe für die Kleider so bunt zu färben wie wir das heute können. Und als die Mütter der Kinder entdeckten, dass das bunte Haar der Wusels immer wieder nachwachsen konnte, da hielten sie die kleinen Burschen in Käfigen und begannen sie wie Schafe zu scheren. Ihr könnt euch vorstellen, wie oft sie diesen kleinen Wusels die Haare schneiden mussten, um genügend Wolle für einen Umhang spinnen zu können. Darum war das Tragen solcher Umhänge auch nur den großen Männer eines Stammes bestimmt. Der Häuptling trug einen roten Mantel, der Medizinmann einen Grünen, der oberste Krieger einen gelben und die Frau des Häuptlings einen blauen.
Den Wusels gefiel es natürlich überhaupt nicht, wie man sie behandelte und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in den Untergrund zu verziehen. Viele Tausende Jahre hielten sie sich unbemerkt von den Menschen hier auf. Lebten in ihren unterirdischen Höhlen und ernährten sich von all dem was der Wald zu bieten hatte.
Später wurden die Gegend in der sich die Wusels niedergelassen hatte richtig berühmt.  "Wasgau" hieß sie damals und in dieser Zeit entdeckten auch die geheimen Wissenschaften die kleinen Kerlchen. Sie gaben ihnen den Namen "plüschius suspectius"
Lange Zeit galten sie dann, getrocknet versteht sich, als Allheilmittel gegen alle möglichen Wehwehchen. Das war eine schlimme Zeit für die kleinen Wusels, die sich auf der ständigen Flucht befanden vor den Hexen und Alchemisten.
In großen Büchern schrieben die kleinen Wusels ihre Erlebnisse und Abenteuer nieder, darum weiß man heute ganz genau, was damals passiert ist. Trotz ihrer schlechten Erfahrungen waren und sind sie immer die Gönner und Helferlein der Menschen geblieben. Ohne sie wäre die Wegelnburg nie gebaut worden, es gäbe keinen Drachenfels und auch Fischbach verdankt seine Gründung den kleinen Wusels. Aber das haben die Menschen alles längst vergessen.
Auf welche verrückten Gedanken die Menschen kamen, als sie aufhörten auf den klugen Rat der Wusels zu hören, das zeigt die Geschichte des Biosphärenhauses. Es gab eine Zeit, da wollten die Menschen einen großen Teil des Dahner Felsenlandes in einen riesigen See verwandeln. 
In dieser Zeit zogen sich die Wusels tief ins Unterholz zurück. Doch die Wuselchefs haben für den Erhalt der Landschaft gekämpft und sind Nachts in die Schlafzimmer der verantwortlichen Politiker geschlichen und haben ihnen entsetzliche Träume mitgebracht. Eines Tages haben die dann erkannt, dass die fürchterlichen Alpträume erst aufhören würden, wenn sie ihre Idee von dem riesigen See wieder zu den Akten legen würden.  Ein paar ganz klugen Leuten, solche die nicht vergessen haben, dass man ab und zu auch mit dem Herzen denken muss, setzten die kleinen Wusels dann in der Nacht die Idee vom Biosphärenhaus in den Kopf. Darum gehört das Haus auch eigentlich den Wusels, die heute im ganzen Haus zuhause sind.  Nachts werden die Wusels  lebendig, kommen hervor und schauen ob alles in Ordnung ist. Hoch oben unter der Solaranlage lebt die Präsidentin in einem ganz versteckten Winkel. Einmal hat sie mich mitgenommen in ihre große unterirdische Bibliothek. So viele wunderschöne Bücher auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen. Aber es war sehr schwierig, in diesen Büchern zu lesen, denn sie sind kaum größer als eine Briefmarke.
Eines muss ich Euch noch erzählen, bevor ich jetzt zum Schluss komme. Die kleinen Wusels hassen Wasser, denn mit nassem Fell werden sie sehr krank und wenn es ihnen nicht gelingt es ganz schnell zu trocken, müssen sie sterben.  Einmal im Jahr muss jeder Wusel nach Fischbach kommen, egal wo er sich auf dieser Welt befindet. Denn irgendwie sind die Wusels wie die Lachse. Für die wichtigste Sache der Welt müssen sie nach Fischbach kommen. Dann feiern sie ein großes Fest und schon ein Jahr später gibt es ganz viele Baby-Wusels – aber das ist jetzt wieder eine ganz andere Geschichte.