- Ich möchte Sie nicht langweilen mit den
unterschiedlichen Arten der Porträtfotografie, wobei die Königsklasse auch
heute noch die klassische schwarz-weiß Fotografie im Studio ist, die den
Fotografen im wahrsten Sinne des Wortes „Mit Licht zeichnen“ lässt. –
Denn „Fotografie“ bedeutet nichts anderes als „Mit Licht zeichnen“.
- „Wen interessiert denn das? – Jedes Bild
hat nur einen Interessenten: den, den du fotografiert hast“, erklärte mir
ein Freund, als ich die Bilder für die Ausstellung zusammenstellte. Aber
genau das ist das große Problem unserer Zeit. – Und ist das nicht
entsetzlich? - Wir interessieren uns gar nicht mehr für den anderen. Unser
Denken und Handeln kreist einzig und allein um uns selbst. „Was soll aus
solch einer Gesellschaft voller ICH-AGs am Ende werden“, frage ich mich.
- Das war nicht immer so. Das Bildnis des
Menschen erregte schon zu Beginn der Menschheitsgeschichte die Phantasie. Am
Anfang der Kultur trugen Felswände, Keramiken und Metall das Antlitz des
Menschen. Was wir heute als Kunst definieren, war in der Frühzeit eine
reine Informationsübermittlung und kultischer Ausdruck. Schon immer diente
das Porträt zur Charakterisierung. Sei es der Epoche oder eines Systems,
und es spiegelte in den einzelnen Phasen deutlich den Stand der Kultur
wieder.
- Menschenbilder. Die ersten Fotografen kamen
aus der Malerei – und so zeichneten sie denn ihre Porträts mit Licht.
Herausragend hier August Sander. Die Zeitspanne seiner Arbeiten reicht vom
späten Kaiserreich bis in die Anfänge der Bundesrepublik. Er wählte für
seine Aufnahmen Menschentypen aus, die einen bestimmten gesellschaftlichen
Stand repräsentierten. Seine Aufnahmen eines Konditormeisters,
Industriellen oder Junglehrers sind den meisten, die sich mit Porträts
befassen, bekannt. Mit Sander trat eine Wandlung in der Porträtfotografie
ein, bei der bis dahin Inszenierung und gute Regie das A und O gewesen ist.
Sander bemühte sich um die Wahrheit in der Darstellung des Bildnisses vom
Menschen.
- Wohl einer der größten Fotografen überhaupt
war der 1944 von den Nazis ermordeten Dr. Erich Salomon. Er ist der
eigentliche Vater des Bildjournalismus, dabei wird seine Bedeutung für die
Porträtfotografie viel zu wenig gewürdigt – seine Live-Porträts sind unübertroffen.
- Nach einer Lesung – es waren Weihnachtsmärchen
– kam eine ältere Frau auf mich zu und meinte: „Frau Hagen, ich lese
Ihre Geschichten so gerne. Aber da gibt es noch eine Lilo Hagen, die
arbeitet bei der RHEINPFALZ, das ist eine ganz Böse.“ Schwupps, hatte die
Dame das, was mich ihr und anderen unangenehm macht, einfach wegoperiert. Es
kann nicht sein, dass eine Märchenerzählerin kritisch den Finger in Wunden
der Kommunalpolitik legt. Es kann nicht sein, dass eine Geschichtenerzählerin
sachlich berichten kann, es kann nicht sein, dass eine Fotografin die
Pressefotografie nicht beherrscht. Nicht nur meine Leser haben damit ein
Problem.
- Zwei Seiten der Lilo Hagen: schwarz und weiß,
gut und böse – so wie unsere Welt, die eine Welt der Polaritäten ist.
Das Helle wird durch das Dunkle erst möglich. Zwei Seiten, zwei Wege
– wie in der Porträtfotografie. Man kann mit viel Make up, Weichzeichnern
und Lichteffekten die Eitelkeiten des zu Fotografierenden befriedigen, dabei
wird der Mensch zum Modell, das der Fotograf manipuliert. Er schmeichelt ihm
und verdient gut dabei.
- Der zweite Weg ist die Wiedergabe des
Menschengesichtes, seiner Persönlichkeit. Das ist viel mühevoller, dennoch
bevorzuge ich diesen Weg, denn der Mensch ist ein existenzielles
Wesen, sein Gesicht eine Landschaft und zudem der Spiegel seiner Seele. Mich
kümmern nicht seine Eitelkeiten. Sein wahres Wesen zu erfühlen und es
festzuhalten – das ist mein Anliegen – selbst auf die Gefahr zu
missfallen. Das gilt auch für meine Texte, die heute mein eigentliches
Medium sind. Und so bin ich sehr dankbar, dass ich mit der
Pater-Ingbert-Naab-Gedächtnisausstellung und der Biografie des Unternehmers
Daniel Theysohn die ehrenvolle Aufgabe hatte, zwei herausragende Persönlichkeiten
dieser Region den Menschen näher zu bringen.
- Wunderbare, wenn auch wenig beachtete Porträts
schuf die sogenannte „Arbeiterfotografie“, die Mitte des 19.
Jahrhunderts innerhalb der Arbeiterbewegung entstand. Diese Fotografen
widmeten sich den Lebens- und Arbeitsbedingungen von kleinen Handwerkern,
Arbeitern und sozialen Randgruppen. Die Mehrheit dieser Arbeiterfotografen
blieb anonym. Stellvertretend für ihre Arbeit steht Walter Ballhaus, der
zwar selbst nicht der Organisation der Arbeiterfotografen angehörte, aber in den
1970er Jahren bekannt wurde als ein Fotograf, der im Sinne der Arbeiterfotografie
sozialdokumentarisch fotografierte.
- Das alles sind große Namen und große
Fotografen, deren Anspruch ich sicher nicht gerecht werde. Mein Anliegen ist
es, den Menschen festzuhalten und dabei nach Möglichkeit sein Wesen zu
erfassen. Und ich hoffe dabei sehr, dass es nicht nur die von mir
Fotografierten sind, die sich am Ende für die Bilder interessieren. Mich
persönlich haben schon immer Porträts völlig fremder Menschen fasziniert
– und hoffe, es gibt immer noch Menschen, die diese Leidenschaft teilen.
So wie ich immer noch hoffe, dass sich am Ende das Miteinander und Füreinander
durchsetzen wird.
- Ich wehre mich dagegen, Menschen in Schubladen
zu stecken – und ich selbst möchte auch nicht in eine Schublade gesteckt
werden.
- Ich bin nicht schwarz, nicht rot und nicht grün.
Dazu habe ich einen alten Spruch gefunden:
-
- Ich habe viele Väter, die sind schwarz
- Und ich habe viele Mütter, die sind rot,
- und ich habe viele Schwestern, die sind
gelb,
- und ich habe viele Brüder, die sind weiß.
- Und ich bin über 900.000 Jahre alt.
- Mein Name ist Mensch.
-
- In diesem Sinne – genießen Sie die
Ausstellung und kommen Sie miteinander ins Gespräch.
- Denn das ist ja wohl der eigentliche Sinn
einer Vernissage,
- Ihre
- Lilo Hagen