Liebeserklärung
Als wir vor Jahren ins Dahner Felsenland zogen, da waren wir vom Wasserkran kaum wegzubringen. Es schien uns, als hätten wir noch nie köstlicheres Wasser getrunken, auch die „Wasseraffäre“ tat unserer Begeisterung keinen Abbruch. Noch heute können unsere Nachbarn und Freunde aus dem Felsenland diese Begeisterung kaum nachvollziehen, doch wer einmal die verkalkte und verchlorte Brühe der Großstadt, in der weder Kaffee noch Tee ein Aroma entwickeln kann, genießen musste, der weiß wovon ich rede.
 
Meine alte Freundin, die für ihren Sender in der ganzen Welt unterwegs ist, erkundigt sich indes in regelmäßigen Abständen, ob wir das Leben in der Provinz noch nicht langsam leid seien.
 
Ich lud sie ein, sich dieses Leben in der Provinz einmal näher anzuschauen. Was Kunst und Kultur betrifft, leben wir hier längst nicht mehr hinter dem Mond. Im Gegenteil! Das Angebot ist größer als das mancher Großstadt und ich kann das Gejammer, das in Dahn nichts los sei, schon bald nicht mehr hören. Das Programm der Dahner Sommerspiele erweist sich immer wieder als Sahnetörtchen erster Güte, die Dahner Jazz Tage sorgen bei Insidern inzwischen weit über unsere Grenzen hinweg für Aufsehen und die Big Band des OWG ist längst mehr als eine Schülerband.
Nachdem sich meine Freundin von der Qualität unserer Galerien, mit der Kreisgalerie und der Galerie N beherbergt Dahn alleine zwei davon, überzeugt hatte, musste sie eingestehen, dass die Region in dieser Beziehung weit mehr zu bieten hat, als sie vermuten lässt. Die Laienspielgruppe Bruchweiler kann in meinen Augen einem Ohnesorg Theater allemal das Wasser reichen – was den Laienspielern an Professionalität fehlt wird zur Freude des Publikums mit viel Witz und Selbstironie wett gemacht.
 
Ich schleppte meine Freundin zu allen 16 mittelalterlichen Burgen und Burgruinen, davon stehen vier alleine in Dahn, erzählte ihr einen Teil der vielen Sagen und Geschichten die sich um die alten Gemäuer ranken. Ich brachte sie in die Saunawelt des Felslandbadeparadieses, das hatte sie in „meiner Provinz“ denn doch nicht erwartet. Ich gab ihr eine Kostprobe unserer vorzüglichen Gastronomie mit ihrer typischen Pfälzer Küche und machte deutlich, dass wir weder auf türkische, griechische noch italienische Spezialitäten verzichten müssen. Bei den vielen kleinen Geschäften in Dahn geriet auch meine von den Konsumtempeln der Großstadt verwöhnte Freundin ins Schwärmen. Wir eroberten die Dahner Altstadt und ihr nicht enden wollendes Lob ließ sie mit vollgepackten Einkaufstaschen und mich mit stolzgeschwellter Brust nach Hause gehen. Ja, das ist mein Dahn und mein Dahner Felsenland.
 
Ich erinnerte mich, wie ich vor Jahren nach einem längeren Auslandsaufenthalt wieder nach Deutschland kam und mich mit Heißhunger auf eine Scheibe kräftiges, dunkles Bauernbrot, belegt mit zartem, rohem Schinken, stürzte, das ich mit einem Glas kühlem Bier herunterspülte. Nie hat mir ein Schinkenbrot besser gemundet, nie ein Bier besser geschmeckt. So ist es auch mit „meinem“ Dahner Felsenland. Inzwischen habe ich mich an viele unserer Schätze schon gewöhnt, nehme sie als selbstverständlich. Doch der Besuch meiner Freundin machte mir wieder einmal deutlich, wie einzigartig der Zauber unserer Region ist, einer Region, die mehr bereit hält als ein hervorragend ausgebautes Radwegenetz und bequeme Wanderwege.
 
Na ja, ein bisschen umständlich war es für meine Freundin, das Großstadtpflänzchen schon, aus ihrer geliebten Mainmetropole hierher zu finden, aber zum Glück gibt es heutzutage Handys und die herrliche Landschaft macht eine Fahrt auf den kleinen Landstraßen wieder wett.
 
Die Zeit war zu kurz, um ihr alles zeigen zu können, was Dahn und mein Felsenland zu bieten hat. Aber ich konnte in ihr eine Sehnsucht wecken, die sie mir bald zurückbringen wird, die Freundin, die jetzt verstehen kann, warum ich mich heute mit Haut und Haaren als „Dahner Felsenländer“ fühle und dabei nichts von dem vermisse, was die Großstadt angeblich so attraktiv macht.
 
© Lilo Hagen